Inzwischen im siebten verflixten Jahr: Münchens Krimibuchhandlung

Kriminelle Streifzüge

Ein Gespräch mit Monika Dobler, Mitinhaberin der Münchner Krimibuchhandlung "Glatteis", gibt interessante Einblicke in die aktuelle Krimiszene

Text aus einem Krimi von Bodo Kirchhoff

Carmen Obst, 30, liest fast nur noch Krimis, um ihre eigenen Mordgelüste zu befriedigen.

Für Silvia Straßmair, 30, ist `Die weiße Löwin´ von Mankell der erste Krimi nach 15 Jahren.
`Was mir sehr gut an diesem Krimi gefällt: die Darstellung der schwedischen Gesellschaft, warum sie zusammenbricht. Nur die Grausamkeit der Morde stößt mich etwas ab.´

Ursula Epple, 54, ist ein Fan der Amerikanerin Linda Barnes.´Die Privatdetektivin ist interessant, die Personenpsychologie tiefgründig und es werden Schattenthemen der amerikanischen Gesellschaft - Kinderpornos, multikulturelle Probleme - dargestellt.´

`Ich bin erblich belastet - schon meine Großmutter hat Krimis verschlungen. Ein wichtiges Kriterium ist aber, dass sie sprachlich gut sind. Nur Action, das ist mir zu wenig´, so Andrea von Hohenlohe, 41.

Barbara Leonhardt, 38, hat mit Agatha Christies Krimis ihr Englisch aufgemöbelt. `Zur Zeit lese ich japanische Krimiautoren. Das motiviert mich, meine Japanischkenntnisse auf dem Laufenden zu halten.´

Es gibt viele Gründe, sich selbst, seinen Sprachkenntnissen und nicht zuletzt dem Täter auf die Spur zu kommen. Sigmund Freud verglich den Verbrecher mit dem Analysierten in der Psychoanalyse
`Bei beiden handelt es sich um ein Geheimnis, um etwas Verborgenes. Aber beim Verbrecher handelt es sich um ein Geheimnis, das er weiß und verbirgt, beim Analysierten um ein Geheimnis, das auch er selbst nicht weiß.´´
Schlichter formuliert es Somerset Maugham: Wenn er den Abend allein verbringt und nach einem langen, harten Arbeitstag vor dem Bücherregal steht, etwas lesen möchte, aber weiß, dass er nicht mehr fähig ist, einen literarischen Schinken anzugehen - dann wählt er instinktiv eine "detective story".

Monika Dobler vor dem extra für das Glatteis gestalteten Vorhang des Illustrators Hans Hillmann
Seit September 2000 steht den Münchner Krimifans ein Dorado zur Verfügung. Die Buchhandlung an der Ecke Baader-/Corneliusstraße - in unmittelbarer Nähe zum Gärtnerplatz - hat sich auf Kriminalromane aus aller Herren Länder spezialisiert und kommt damit einem Trend entgegen, den Focus jüngst in seinem Dossier "Markt für Bücher" bestätigt hat: Die Deutschen lesen am liebsten Krimis oder Thriller.
Die Inhaberinnen Monika Dobler und Gabriele Fauser sind über die Entwicklung ihrer Buchhandlung zufrieden - seit drei Jahren steigt der Umsatz kontinuierlich. Das war am Anfang so erst mal nicht abzusehen. Noch bei ihrer Eröffnung ließen sie Zweifel durchklingen, ob sich ihre Buchhandlung auf Dauer tragen würde.

Wie kam es zu dem Entschluss, ausgerechnet eine Krimibuchhandlung zu eröffnen?

`Ich bin mit Frau Fauser schon seit vielen Jahren befreundet, beide sind wir passionierte Krimileserinnen. An ihrem 50. Geburtstag meinte Frau Fauser `Monika, wir sind jetzt in einem Alter, wo wir unbedingt noch etwas zusammen machen müssen, was uns Spaß macht.´ Wir durchstöberten wochenlang Münchner Buchhandlungen und haben gemerkt, dass die oft sehr guten Krimis kleiner Verlage nicht repräsentiert waren.´

Klein aber fein lautet die Devise beim Buchkauf. Circa 25 Prozent der deutschen Leseratten besuchen lieber kleine als große Buchhandlungen.
Die Münchner Krimibuchhandlung ist eine gelungene Mischung aus Überschaubarkeit und räumlicher Großzügigkeit. Bequeme Stühle und ein Sofa laden zum Schmökern ein. Die Bücher sind nach Verlagen und nach Autoren geordnet. Ein hohes Regal ist komplett englischsprachigen Krimis gewidmet.
Die persönliche Beratung ihrer Kunden ist den Inhaberinnen sehr wichtig. Während unseres Gesprächs kommt eine Stammkundin hereingeschneit: "Frau Dobler, der schwedische Krimi, den Sie mir als Geschenk für meinen Freund empfohlen haben, war genau passend. Ich suche für ihn jetzt einen ähnlichen, können Sie mir da wieder weiterhelfen?"
Natürlich kann sie - Monika Dobler zieht "Tanz mit dem Engel" von Ake Edvardsson aus dem Regal, die Kundin bezahlt und zieht beglückt von dannen.

Die Krimibuchhandlung Glatteis: geräumig und sehr gut sortiert

Krimikultland Schweden

Die Schweden - als Krimiautoren sind sie zur Zeit unschlagbar. Der überwältigende Erfolg von Mankell zog weitere bis dahin unbekannte schwedische Autoren auf die Kassentheken. "Formate" nennt man das im Verlags-Fachjargon. Wenn ein Schwede einschlägt, muss es auch mit anderen klappen. Und deshalb verlegen die großen Häuser, die auch Krimis verlegen, mindestens einen schwedischen Krimiautor.

Die Frage drängt sich natürlich auf, warum ausgerechnet die Schweden derzeit in diesem Genre herausragen. In mir rufen sie eher idyllische Assoziationen hervor wie Ferien auf Salt-krokan, Pippi Langstrumpf, sozialistischer Wohlfahrtsstaat und pflegeleichte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Inka Racz, Leiterin des Institus für Wirtschaft, Sprache und Kultur in München, hat beruflich häufig Kontakt mit schwedischen Geschäftsleuten und gibt auf diese Frage griffige Antworten:

`Die Idylle in Schweden ist brüchig geworden. Der Wohlfahrtsstaat wird zwar noch nach außen propagiert, er ist aber schon ziemlich demontiert . Schweden ist geprägt von kurzen Sommern und langen dunklen Wintern. Dadurch neigen viele Schweden zu melancholischen Stimmungen.´ Die Schweden seien eher introvertiert, das Leben spiele sich meist zu Hause ab. Kneipen gäbe es zwar in größeren Städten, aber alkoholische Getränke seien sehr teuer, so Inka Racz.

`Im privaten und beruflichen Umfeld äußern sich Schweden meist diplomatisch und indirekt. Dieses Viel für sich behalten verbunden mit einem starken Gruppenkonsens fördert Verdrängungen , die sich ja dann auch wieder entladen müssen.´
Inka Racz verweist an dieser Stelle auf die Filme von Ingmar Bergmann. Auch diese zeigten ein verborgenes Schweden, das der Tourist so nicht sieht.
`Denken Sie auch an die unberührte Weite des Landes: Schweden ist um ein Drittel größer als Deutschland und hat nur 8 Millionen Einwohner. Diese Tatsache geht einher mit einer großen Skepsis Ausländern gegenüber. Die Schweden wollen unter sich bleiben, fühlen sich von Neuem und Ungewohntem schnell bedroht.´

Der Blick hinter die angeblich idyllischen Fassaden ist sicher ein großer Reiz der Mankell-Krimis. Hauptkommissar Wallander vermittelt nicht den strahlenden blond-germanischen Helden, sondern einen sensiblen, zu Depressionen neigenden, aber sehr intuitiven Menschen, dessen Privatleben und Karriere alles andere als perfekt sind. Seine Schwächen machen ihn jedoch offen für menschliche Widersprüche und schärfen sein Sensorium für Hintergründe, das ihn letztlich alle Fälle lösen lässt - nur nicht seinen eigenen!

Monika Dobler sieht sich jedoch nicht dafür zuständig, die gängigen Trends zu bedienen : `Klar, zur Zeit sind die Schweden führend. Wir verkaufen jedoch in unserer Buchhandlung nicht nur Bestseller-Autoren. Unsere Favoriten sind oft SchriftstellerInnen kleiner Verlage, die bei unseren Kunden sehr gut ankommen.´

Dass ihr Ratschlag bei den Kunden bestens ankommt, mag auch daran liegen, dass mindestens 70 Prozent der Krimileser Frauen sind. Und die plauschen gerne mit den Inhaberinnen des "Glatteis" über literarische Vorlieben und sind offen für Empfehlungen.

Auch an den Erfolgen von Krimifestivals ist ablesbar, dass Krimiliteratur längst nicht mehr zur drittklassigen Literatur gehört. Vom 7. bis 13. April fand dieses Jahr das beliebte Krimifestival in München statt, auf dem viele namhafte KrimiautorInnnen zu hören waren - auch in der Buchhandlung "Glatteis".

Lust an der Ferne

Nach Aussage Monika Doblers haben zur Zeit italienische und spanische Autoren ein Comeback zu verzeichnen. Sie weisen ein gutes literarisches Niveau auf und bedienen außerdem die Lust der Deutschen an der mediterranen Küche. Wem würde da nicht Camilleris Kommissarfigur Montalbano einfallen, der sich in seinem Frust wegen dauerhaft ungelöster Fälle mit exquisiten sizilianischen Gerichten tröstet?

Der Marktanteil ausländischer Krimiautoren liegt bei 85 Prozent. Die Deutschen schweifen beim Krimilesen also gern in die Ferne.
`Finde ich eigentlich sehr verständlich. Ich lese auch lieber ausländische Autoren. Die Deutschen mögen es halt gern exotisch´, so Monika Dobler ironisch.

Der Sehnsucht nach Oleander und Zitronen trug jüngst Irene Rodrian Rechnung. Die etablierte deutsche Autorin schrieb nach 10 Jahren Pause wieder einen Krimi, der in Barcelona spielt: "Meines Bruders Mörderin". Im Januar las sie in der Krimibuchhandlung Glatteis daraus vor, passend begleitet von spanischem Sekt und vorzüglichen Tapas. Wie Rodrian sind seit etlichen Jahren einige deutsche Krimiautorinnen zu Erfolg gekommen. Es begann mit Ingrid Noll, es folgten Autorinnen wie Thea Dorn, Susanne Mischke und Petra Oelker. Sie stehen für die Entwicklung interessanter Frauenfiguren im deutschen Kriminalroman und verbinden damit die Genres Frauen- und Kriminalroman.

Monika Dobler mit ihrem derzeitigen Lieblingskrimi Das japanische Rätsel von Suzanne Visser

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

Neben dem Genre Frauenkrimi verzeichnet der Lokalkrimi innerhalb der deutschen Krimiszene lebhaften Zuspruch. Ungekrönter Lokalkrimimatador ist Jaques Berndorf mit seinen Eiffelkrimis, die eine sagenhafte Auflage von 200.000 Stück erreichen. Der Reiz dieser Regionalkrimis ist beachtlich.

Ist es nicht aufregend, wenn die unmittelbare, eigentlich bestens bekannte Nachbarschaft durch eine Bluttat plötzlich neu beleuchtet und hinterfragt werden kann?
In der Tat: Als Alt-Freiburgerin genieße ich jeden Freiburg Krimi des Autoren Duos Bettina Hayberger und Udo Marquardt, amüsiere mich köstlich über den liebevoll karikierten badischen Lokalpatriotismus und lache darüber, wenn stadtbekannte Figuren vom Oberbürgermeister bis zum Hotelier durch den Kakao gezogen werden.

Auch München hat hier etwas zu bieten. Allen voran der populäre Autor Friedrich Ani, dessen Kommissarfigur Tabor Süden eine Krimireihe begründet hat, in der drei bei Knaur verlegte Titel den deutschen Krimipreis 2003 erhielten: "Süden und der Straßenbahntrinker", "Süden und das Geheimnis der Königin", "Süden und die Frau mit dem harten Kleid."
In seinen Romanen und Drehbüchern vermittelt Ani ein Münchenbild, das Volker Isfort in der Abendzeitung beschrieb als "wesentlich widerborstiger..., als im Rest der Republik meist wahrgenommen wird. Seine Protagonisten sind meist Gescheiterte, denen die Stadt ihre unstillbare Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung verweigert. Mit gewaltsam amputierten Träumen lebt es sich auch in München schlecht."

Den Autor Friedrich Ani kann man übrigens bisweilen im Glatteis antreffen, im Plausch mit den Inhaberinnen und Kunden der Buchhandlung.

Öffnungszeiten :Mo-Fr 12.30 bis 20.00, Samstag 10-16.00. Internetadresse: www.glatteis-krimi.de