Poetische, kritische und informative Annäherungen an den Bauchtanz
In, um und um den Bauch herum....
Ich lobe den Tanz
der alles fördert und fordert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele
....
Augustinus nennt in seinem wunderbaren Gedicht über den Tanz alle maßgeblichen Gründe, die ausreichen müssten, Tanz als Pflichtfach schon in der Grundschule einzuführen. Mich haben die Zeilen von Augustinus dazu angeregt, einige Gründe zu nennen, die seit Anfang der achtziger Jahre dazu beigetragen haben, dass ein unserem Kulturkreis fremder Tanz sich in Deutschland zum großen Renner entwickelt hat:
der Bauchtanz, Orientalische Tanz, Tanz des Ostens, Schlangentanz, Raqs Sharqui oder Cifte telli
Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen
der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn
Wille oder Gefühl zu werden
.....
Der Bauchtanz und seine Geschichte
Der Ursprung des Bauchtanzes liegt in einer Zeit, in der der weibliche Körper in seiner Bedeutung als Träger des Lebens religiöse Verehrung genoss und deshalb in Tänzen gefeiert wurde, die seine lust-und fruchtbarkeitsfördernden Aspekte betonten. Bewusstseinsgeschichtlich kündet dieser Tanz von einer Ära, die religiös bestimmt war von den vielen Gesichtern der "Großen Göttin": Natur und Geist, Erotik und Spiritualität, profan und sakral waren keine unversöhnlichen Gegensätze, sondern vorübergehende Äußerungsformen ein- und derselben Göttin.
Matriarchale Mythen, soweit sie rekonstruierbar sind, weisen eine Perspektive auf, die aus weiblicher Sicht als allumfassend und fließend, männlich betrachtet als nicht greifbar und undifferenziert erscheint. Die große Göttin zeigt sich als junges Mädchen, verführerische, reife und alte Frau. Sie nährt sich und andere, kämpft, paart sich, gebärt und verschlingt. Der Mann taucht auf als Sohngeliebter der Göttin, der alljährlich im Frühjahr geboren wird und im Herbst sterben muss.
Da keine historischen Zeugnisse vorliegen, kann frau nur mutmaßen: Wurden in matriarchaler Zeit vielleicht Männer den Mythen entsprechend unterdrückt und geopfert?
Das historische Gesetz "Ein Extrem folgt auf das andere" lässt diese Schlussfolgerung zumindest nicht abwegig erscheinen.
Patriarchale Religionen wie das Judentum, der Islam und das Christentum ähneln sich bei allen Unterschieden darin, eine Spaltung hinsichtlich rein und unrein, Sinnlich-und Geistigkeit, gut und böse vollzogen zu haben. "Teile und herrsche" ist die neue Devise, mit der die Welt und auch die Frau effektiv erobert, verwaltet und unterdrückt werden. Gott ist nur noch männlich und rein, die Frau - als sexuelles und menstruierendes Wesen - böse und unrein. Sie muss früh verheiratet, sprich aufgeräumt werden und ist nur als Mutter zahlreicher Söhne gesellschaftlich akzeptiert.
Das Christentum bietet der Frau noch eine weitere Daseinsberechtigung: als geschlechtslose Nonne mit abrasierten Haaren hinter Klostermauern, verheiratet mit dem dauerhaft abwesenden Bräutigam Jesus. Ausgerechnet der Religionsgründer, der mit Frauen so gar nichts am Hut hatte, bekommt auf Erden das größte Harem! Da muss selbst Mohammed vor Neid erblassen.
Wenn der religiöse Geist die Welt und die Daseinsformen von Frauen radikal änderte, so lassen sich weltweit Überreste beckenzentrierter Tanzformen finden, die von der Großen Göttin künden: in Schwarzafrika, Lateinamerika, auf Hawaii und im vorderen Orient.
Der arabische Kulturkreis entwickelte diesen Tanz in Form des traditionellen ägyptischen "beledi", des traditionellen weiblichen Solotanzes, zu einem besonderen ästhetischen Tanzstil. Auch wenn der Islam im Vergleich zum Christentum sinnenfreudiger ist, weist er jedoch eine dem Christentum vergleichbare Doppelmoral auf. Berufstänzerinnen waren meist gesellschaftliche Außenseiter. Sklavinnen und Zigeunerinnen konnten auf diese Weise überleben.
Auch heute noch stößt jede junge Frau im Nahen Osten, die aus guter Familie stammt und vorhat, orientalische Tänzerin zu werden, in ihrer Familie auf heftigste Ablehnung. Gemeinsames Tanzen, dabei tanzen Männer und Frauen meist getrennt, ist bei Familienfesten Tradition. Dass eine Frau aber ihre Reize im Tanz Nicht-Familienmitgliedern gegen Bezahlung zeigt, wird mit Prostitution gleichgesetzt.
Um die Jahrhundertwende bekamen die Europäer auf den damaligen Weltausstellungen erstmals orientalische Tänze zu sehen. In abgewandelter Form mutierte dieser Tanz des Ostens in Kabaretts und Hollywoodfilmen schnell zur heiß-begehrten Tanznummer. Die verwestlichte Variante brachte das typische Bauchtanzkostüm hervor - Glitzer BH und Glitzergürtel - und befruchtete wiederum die in den vierziger und fünfziger Jahren boomende ägyptische Filmindustrie.
Über die USA kam der Bauchtanz Ende der siebziger Jahre nach Europa und bereicherte die Frauenbewegung in ihrem Anliegen, feministische Inhalte auch körperlich zu erfahren. Mitte der achtziger bis Anfang der neunziger Jahre erlebte die Bauchtanzbewegung in Deutschland ihren Höhepunkt. Studios schossen wie Pilze aus dem Boden. Bauchtanzen war plötzlich nicht mehr exotisch oder anrüchig, sondern machte sogar Hebammen und Ärzte auf seine gesundheitsfördernde Wirkung aufmerksam.
Bauchtanz und Gesundheit
Löse und binde - die alchemistische Weisheit gilt im hohen Maße für den Bauchtanz: Von Anfang an lernt frau, bewusst einzelne Partien im Brust-und Beckenbereich anzuspannen und loszulassen. Die Isolation fördert dabei eine gezielte Körperwahrnehmung. Schwerpunkt ist dabei das Becken. Durch runde, fließende, ekstatisch-zitternde und ruckartige Bewegungen, die ebenso im Oberkörper geübt werden, wird frau sich ihrer unterschiedlichen Energien bewusst. Damit geht meist ein gesteigertes Wohlbefinden einher, der Körper ist in besserer Verfassung und weniger anfällig für Krankheiten. Einmal ins Fließen gebracht, lösen die durchweg körperfreund-lichen Bewegungen Verspannungen im Bauch-Rücken-und Schulterbereich. Die Stärkung des Beckenbodens beeinflusst wohltuend auch Blasenschwäche. Viele Frauen berichten, dass Verdauungs-und Menstruationsbeschwerden nachlassen oder gar verschwinden. Die Koordination von komplexen Bewegungsabläufen trainiert zusätzlich das Gehirn, weil sich rechte und linke Hirnhälfte verbinden.
Der Tanz fordert
den befreiten, den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte
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Bauchtanz und Facetten von Weiblichkeit
Bauchtanz bildet eine fruchtbare Grundlage, sich mit verschiedenen Bildern von Weiblichkeit auseinanderzusetzen. Schnell stößt die Bauchtanzinteressierte dabei auf Weiblichkeitsbilder der vorchristlichen Antike, z.B. den Aphrodite-Archetyp. Das sich- schön-machen, die Glitzerstoffe, die funkelnden Accessoires lassen Klein-Mädchen-Träume wiederauferstehen, die den bisher vernachlässigten weiblichen Selbstwert stärken.

Aber auch weibliche Konkurrenz (die es entgegen blauäugiger Feministinnen ebenso gibt) kann ein heftiges Thema werden, vor allem, wenn die Leiterin/Tanzschule unbewusst die Schattenseite dieses Archetyps kultiviert: Wer ist die Schönste oder Beste im ganzen Kurs?
Im Zuge dessen kann frau über so manche Folgeerscheinung staunen - wenn Lieschen Müller sich plötzlich Djamila oder Suleyka nennt und in Pusemuckel von der einst biederen Hausfrau zum exotischen Star mit mehr oder meist weniger gutem tänzerischem Know-how mutiert, der eifersüchtig über die Vormachtstellung des eigenen Studios oder der eigenen Reputation wacht.
Auch der gerüchtestreuende, verschlingende Archetyp der Ereshkigal ist in der Bauchtanzszene anzutreffen. Erkennbar daran, dass sie keine Göttinnen neben sich stehen lassen kann und alle Konkurrentinnen in Grund und Boden verdammt.
Egal, wie alt wir schon sind: Lernen wir etwas uns Unbekanntes, schlüpfen wir wieder in die Rolle der Tochter, derjenigen, die aufnahmebereit sich dem Neuen öffnet. Und egal, wie jung oder alt die Lehrerin ist, sie schlüpft zwangsläufig in die Rolle der Gebenden, der Mutter. Damit sind wir beim Persephone (Tochter)- und Demeter (Mutter)-Archetyp. Bei guter Kursleitung fühlen sich alle Teilnehmerinnen integriert und vom Kraftfeld der Lehrerin und Mittänzerinnen angeregt und genährt. Kritisch kann es werden, wenn Schülerinnen tänzerisch "erwachsen" werden, zu einer anderen Lehrerin wechseln wollen und bei der alten auf Widerstand stoßen. Diese wird dann zur festhaltenden Mutter, die ihre Küken nicht loslassen will. Sei es, dass sie aus Konkurrenzangst andere Lehrerinnen sowieso nicht gut findet oder sie einfach eine Einkommensquelle weniger befürchtet.
Bauchtanz und Erotik
Wer bauchtanzt, merkt schnell,
- dass Erotik in unserer Gesellschaft meist gleichgesetzt wird mit sexueller Stimulation von Männern
- dass Erotik nach wie vor gesellschaftliche und persönliche Tabuthemen berührt und
- wie sehr christlich geprägt, d.h. gespalten, unser Frauenbild immer noch ist.
Als ich meiner sonst gar nicht verklemmten Mutter erzählte, dass ich einen Bauchtanzkurs besuchte, sah sie mich sofort im Puff enden. Dabei hatte ich vorher nie die Absicht geäußert, als Prostituierte meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Die heilende Kraft des Bauchtanzens besteht meiner Meinung auch darin, dass Frauen ihre Erotik selbstbestimmt, unabhängig vom Blickwinkel der Männer, entdecken und ausleben können.
Diese Auffassung von Erotik ist unserer Kultur fremd und vielen Männern suspekt. Vielen geht beim Wort Bauchtanz sofort die sexuelle Phantasie durch: "Mensch, die muss gut im Bett sein!" Erlebnisse wie die einer sehr guten, befreundeten Tänzerin sind keine Ausnahme; während ihres Auftritts anlässlich einer Geburtstagsfeier spornte sie der Jubilar an:"Wenn du den BH ausziehst, bekommst du einen Hunderter mehr!"
Solche Sätze sagen nichts über den Tanz aus - sie sagen jedoch viel über diesen Mann aus, über seine wahrscheinlich verkümmerte Erotik und seine Einstellung Frauen gegenüber.

Auf der anderen Seite sei nicht verschwiegen, dass Frauen bisweilen skrupellos ihre Attraktivität einsetzen, um Männer von sich und ihren Forderungen abhängig zu machen.
Uraltes Beispiel dafür, wie abgewiesenes Begehren blitzschnell in blinde Rache umschlagen kann, ist die biblische Salome. Sie ist nicht fähig, mit der Abweisung des fanatischen Asketen Jochanaan umzugehen und benutzt ihre Verführungskraft im Tanz der 7 Schleier als Waffe, mit der sie ihre gekränkte Eitelkeit rächt. Ihr Stiefvater ist wie Salome Opfer und Täter zugleich. Das Erfüllen seines Begehrens bezahlt er mit dem Zusammenbruch seiner Herrschaft. Eros als gesellschaftssprengende Kraft?
Dieser Gedanke war zumindest vorchristlichen Kulturen wie den alten Griechen nicht fremd. Hesiod nennt Eros als den schönsten der unsterblichen Götter, der bei der Weltentstehung maßgeblich dabei ist und den Geist aller Menschen und Götter beherrscht.
Zum Abschluss sei ein großer Vorteil des Orientalischen Tanzes genannt; es gibt keinen Figurzwang! Auch Frauen, die sich nicht dem Mager-Main-Stream verschrieben haben, fühlen sich durch den Bauchtanz gestärkt. Ob rund, eckig, mollig, schlank, klein oder groß - wenn die Bewegungen fließen, sehen sie bei a l l e n Frauen wunderschön aus.
O Mensch, lerne tanzen
sonst wissen die Engel im Himmel
mit dir nichts anzufangen
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Und wann fangen Sie an, Bauchtanzen zu lernen?
Zu meiner Person:
Ich gebe seit zehn Jahren Unterricht im Bauchtanz, den ich mit Bewegungssequenzen aus dem Kreativen Tanz verbinde.
Haben Sie Lust, eine unverbindliche Probestunde zu nehmen? Oder möchten Sie mit Ihren Bekannten/Freundinnen ein Einführungswochenende bei Ihnen zu Hause genießen?
Nähere Informationen unter Tel.089-7257530 oder karinhepperle@web.de
Literaturhinweise:
Wendy Buonaventura: Die Schlange vom Nil, Verlag 2001
Eluan Gazal, Der Heilige Tanz; Bauchtanz und sakrale Erotik, Simon und Leutner Verlag
Eluan Gazal, Bauchtanz, Wellen des Körperglücks, Ariston Verlag
Jean-Shinoda Bolen, Göttinnen in jeder Frau, Sphinx Verlag
Heide Göttner-Abendroth, Die Göttin und ihr Heros, Frauenoffensive